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Forced Labor Cemeteries Forced Labour Conscript Labor

Das Schicksal der von den deutschen Behörden während des zweiten Weltkrieges rekrutierten Zwangsarbeiter ist von der Bevölkerung und der historischen Forschung bisher weitgehend unbeachtet geblieben. Erst in den letzten Jahren wurden erste Ansätze erkennbar, diesen – für die nationalsozialistische Kriegführung mitentscheidenden – Aspekt der deutschen Geschichte auf lokaler wie überregionaler Ebene aufzuhellen.

Der jetzt von Klaus Völkel mit Unterstützung der Stadt Witten veröffentlichte Band über die Zwangsarbeiter in Witten darf daher zu Recht beanspruchen, als beispielgebende Studie für die stadtgeschichtliche und die NS-Forschung zu gelten. In der methodischen Aufarbeitung der Dokumente wie in der engagierten und systematischen Darstellung der Forschungsergebnisse schließt er sich an das Gedenkbuch für die Wittener Juden (“… vergessen kann man das nicht”, Wittener Jüdinnen und Juden unter dem Nationalsozialismus. Verlag Dr. Winkler, Bochum 1991) an.

Die Erforschung der lokalen Geschichte der Zwangsarbeit stößt in mehrfacher Hinsicht auf Hindernisse. Die staatlichen Dokumente über Herkunft und Lebensweg der ausländischen Arbeiterinnen und Arbeiter in der deutschen Kriegswirtschaft sind rar, weil sie – ausschließlich zur Ausbeutung ihrer Arbeitskraft eingesetzt – kaum als Menschen galten. Nicht besser steht es mit Dokumenten der Firmen, bei denen sie eingesetzt waren. Hier kommt hinzu, dass viele Firmen heute nicht mehr existieren. Eine weitere Erschwerung bringt die Haltung der Behörden nach Kriegsende: So wurde aus einer geplanten Gedenkstätte für die Wittener Zwangsarbeiter eine „Ruhestätte der Toten der Alliierten, 1939-1945”. In Wittener Betrieben waren mehr als 12000 Arbeiterinnen und Arbeiter fremder Nationalität beschäftigt, davon mehr als die Hälfte sowjetische Kriegsgefangene und Zivilarbeiter. Außer ihnen wurden z. B. noch Franzosen, Polen, Holländer, Belgier, Jugoslawen, Tschechen und Italiener eingesetzt. Für 602 von ihnen konnte Klaus Völkel bis heute die Lebensdaten rekonstruieren: Namen, Geburtsdatum und -ort, Todesdaten (alle in Witten gestorben) und -ursache, Nationalität, Begräbnisort. Diese Daten begleiten in einer Gedenkspalte den Sachtext und erinnern bei der Lektüre der elenden Lebens- und Arbeitsbedingungen der ausländischen Zivil- und Zwangsarbeiter und dem nachnationalsozialistischen Gezerre um eine Gedenkstätte für sie daran, dass es Menschen waren, deren Leben verloren war. In diesem Buch wird ihnen ein Teil ihrer Individualität zurückgegeben.

In diesem Sinne ist Klaus Völkels Studie nicht nur ein Beitrag zur Geschichtsforschung. Durch das Sich-Erinnern und Nicht-Verdrängen eines Abschnitts der Geschichte trägt sie zu seiner Aufarbeitung bei und ist damit ein wichtiger Beitrag zur eigenen Identitätsfindung.

(Quelle: Verlag Dr. Dieter Winkler)