Lexikon der Revolutions-Ikonographie in der europäischen Druckgraphik (1789-1889)
Moritz Jäger
Jasmin Hähn
Martin Miersch
Rolf Reichardt
Wolfgang Cillessen
Fabian Stein
Zur Identität des ,alten' Europas an der Schwelle zur Moderne gehört eine tendenziell demokratische Bildkultur, die von den gegenrevolutionären und den nationalstaatlichen Bewegungen des 19. Jahrhunderts verdrängt wurde und heute in ihrer Fülle wie auch in ihrem langfristigen inneren Zusammenhang fast vergessen ist. Es handelt sich um die länderübergreifende politische Symbolsprache vielfältiger visueller Topoi auf den Ereignis-, Sinn- und Spottbildern der von Kunst- und Fachhistorikern vernachlässigten Gebrauchsgraphik oft namenloser Künstler. In didaktischer Absicht stellte dieselbe z.B. komprimiert dar was ,Despotismus' und ,Freiheit' sei, wie sich, Fortschritt' und ,Reaktion', Pressefreiheit und Zensur zueinander verhielten, wie die politische Gesinnung sich in Physiognomie, Körper und Kleidung ausdrückte, worin sich die ,bürgerliche-'und die ,rote Republik' unterschieden. Zudem politisierte sie die Rolle traditioneller religiöser und mythologischer Gestalten wie den ,hl. Georg' und ,Diogenes' und prägte neue Symbolfiguren wie den ,Aristokrat', den ,Sansculotten' und den ,Blusenmann'. In der Französischen Revolution aus älteren und aktuellen Elementen geformt, verbreitete sich diese politische Zeichensprache im Laufe eines Jahrhunderts europaweit mittels der zunehmend massenhaft produzierten Printmedien - fliegende Blätter, illustrierte Journale etc. -, und zwar auf dem Wege anspielungsreicher Bild-Filiationen in Form von wörtlichen Zitaten, Adaptionen oder Verkehrungen, die sich am besten anhand einzelner Bildmotive verfolgen lassen.